Bodennebelultra…

29. Januar 2018

Alle Jahre wieder – am letzten Samstag im Januar – trifft sich die Ultralaufszene in Rodgau-Dudenhofen um gemeinsam bei einem Ultra über 50 Kilometer ins Laufjahr zu starten. Weil hier Runden gelaufen werden, ist der Rodgau-Ultra ein guter Anlass, einen Leistungsstand zu ermitteln, einen langen Lauf mit Freunden zu laufen, erste Ultraluft zu schnuppern – jeder, wie er mag.

Auch die Lauffreunde waren hier schon einige Male zu Gast. Nach einer Pause von 2 Jahren sollte es nun wieder mal der Ultra in Rodgau sein.

Drei der fünf Lauffreunde machten sich also Samstagmorgen auf den Weg zur Gänsbrüh – die Daheimgebliebenen laborierten an den Spätfolgen eines Skiurlaubs und eines Trainingsmarathons. Wettermäßig sollte der Samstag der einzige Tag der Woche sein, der frei von Regen sein sollte. Ein kurzer Kaffeestop in Gersfeld bestätigte diese Prognose, wolkenloser blauer Himmel kündigte einen tollen Tag an.

Das tolle Wetter verschonte allerdings die Gänsbrüh mit Sonne und Wärme. In Rodgau angekommen, empfing uns Bodennebel, der zäh über der Laufstrecke lag und uns den ganzen Tag begleiten sollte.

Läufer kennen sich untereinander und so verging die Stunde bis zum Start, mit Startnummernausgabe, fachsimpeln, dem Weg zur Laufstrecke und den letzten Vorbereitungen wie im Fluge.

Wie schon beschrieben nutzen viele den Lauf in Rodgau gar nicht zum Ultralaufen, sondern als langen, ruhigen, kurzen, schnellen Lauf mit Ausstiegsmöglichkeit alle 5 km. Sven plante den Ausstieg nach einigen Runden und sollte dann den Support mit Fotos und Informationen rund um das Renngeschehen übernehmen. Silvio und ich wollten den Lauf nach unserem Rodgaudebüt 2014 mit 05:33 Stunden in unter 5 Stunden beenden. Ich war 2015 mit Sven noch mal hier, da habe ich jedoch nach 30 km abgebrochen.

So, 10 Uhr – das um die 1000 Läufer starke Feld macht sich auf den Weg. Die erste Runde ist recht nervig, es geht eng zu. Aber spätestens bei der Wendestelle, allerspätestens in Runde zwei hat sich das Läuferfeld soweit auseinandergezogen, das ein freies Laufen gut möglich ist.

Ab jetzt dominiert Langeweile, sollte man meinen. Die Strecke geht in einer 5 Kilometerrunde übers Feld, durch Wald, teilweise Asphalt und Waldweg. 10 mal.

Silvios Tempo kann ich nicht lange halten, bei km 2 lasse ich ihn ziehen. Mir reichen, um mit weniger als 5 Stunden den Lauf zu beenden, 29 Minuten pro Runde. Ein kleines Polster für den Stop pro Runde bei der Verpflegung. Also sehe ich zu, dass meine Pace irgendwo bei 05:50 steht. Um nicht vor der «Restlaufstrecke» zu resignieren, habe ich mir angewöhnt, auch bei kleineren Läufen immer nur in kleinen Schritten, etwa bis zur nächsten Verpflegung zu denken und zu rechnen. So vertreibe ich mir die endlosen 50 km. Die ersten 2 Runden sind die schwersten, da fällt mir an jedem km-Schild ein, dass ich hier noch x-mal vorbeimuss. In der 2. Runde überholt mich der Führende. Irre, der hat schon tatsächlich die dritte Runde geschafft.

Ab der dritten Runde gebe ich mich meinen Rechenspielchen hin und ab da ist die zu laufende Reststrecke gar nicht mehr so schlimm: In Runde drei hab ich ja schon fast ein Drittel. Ein Drittel ist so gut wie die Hälfte…. Runde vier, mal sehen, mit wieviel Minuten unter den 2 Stunden ich durch die Zeitnahme laufe und mal schauen, ob es noch für den Halben unter 2 Stunden langt. Runde 5 ist Halbzeit, Klasse, jetzt mal schauen, dass ich der Dreistundengrenze noch ordentlich Minuten für die 30km abknöpfe. Runde 6: Schaffe ich 32 oder 33 km beim dritten Stundengong? Es werden fast 32…

Sven, der geplant ausgestiegen ist, fängt uns fotografisch ein und informiert uns mit den neuesten Streckennachrichten, Silvio und ich sind ca. 10 Minuten auseinander. Wir sind gut unterwegs und die 5 Stunden sollten eigentlich nicht gefährdet sein, wenn wir weiterhin so durchhalten.

In Runde 6 oder 7 werde ich vom Führenden zum 3(?). mal überrundet. Klasse, der hat es gleich geschafft. Ab der siebten Runde gelingen mir nicht mehr die glatten 28 Minuten für einen Umlauf, ich brauche eine halbe Minute mehr. Das Polster sollte aber für das geplante Finish unter 300 Minuten locker reichen – ich könnte mir jetzt eigentlich eine 7er Pace leisten.
Runde 8, so weit schon? Svens Streckeninfoservice verkündet, Silvio habe 5 Minuten Vorsprung. Hab ich tatsächlich schon 40 Kilometer? Die Zeitnahme bei 40 Kilometer überlaufe ich bei irgendwas um 03:47, der Marathon unter 4 Stunden sollte klappen. Am Verpflegungspunkt in Runde 9 lege ich die allererste Gehpause ein, oh, das lass ich besser sein, ich komme kaum wieder in den Laufschritt. Kurz vor der 42km-Marke läuft vor mir ein Lauffreund – Silvio. 2014 sind wir schon einmal hier gemeinsam ins Ziel gelaufen. Das machen wir heute wieder – Silvio gibt mir jedoch zu verstehen, ich solle weiterlaufen. Als mehrfacher Rennsteigultrafinisher bekämpft er seine momentane Schwäche mit stoischen -Geh-Lauf-Wechseln. In der Wendestrecke kommt er mir entgegen und versichert, die 50 auf jeden Fall voll zu machen. Gut so, wir hätten die letzte Runde sonst gemeinsam in Angriff genommen.

Die letzte Runde! Cool, wenn man sich überall bis nächstes Jahr verabschieden kann! Am Verpflegungspunkt nehme ich zu den gewohnten 2 Bechern Tee – festes bekomme ich schon seit 15 km nicht mehr runter – einen Becher warmes Wasser. Einen Kilometer später fällt mir wieder ein, dass warmes Wasser ja so richtig schön abführend wirkt. Oh Mann, soll ich mir jetzt auf den letzten paar Metern noch echt ein ruhiges Plätzchen suchen? Die Signale aus der Magengegend sind recht deutlich….. Aber nach ein, zwei Kilometern sind zum Glück derlei Bedürfnisse verstummt. Keine 2000 Meter mehr, dann habe ich es geschafft, meinen 12. Marathon, den 2. Ultra im Sack. Aber es sind noch 2 Kilometer. Die wollen nicht enden. Ich komme mir vor, als würde ich schleichen, tatsächlich bekomme ich auch die letzte Runde mit 30:11 Minuten hin, die einzige Runde, in der ich mehr als 6 Minuten für den Kilometer brauche.

Endlich leuchtet das rote Licht der Zeitnahme am Ende des Weges im Nebelsuppengewaber auf – das Ziel. Langsam kommt es näher, der Weg zieht sich wie Kaugummi. Endlich geschafft, bei 04:44:49 stoppe ich meine Fenix. Ich bin sauglücklich, noch 15 Minuten unter meinem Ziel geblieben zu sein. Mein Glück sieht man mir gar nicht an. Die Beine machen zu und mit schmerzverzerrtem Gesicht warte ich im Zielbereich auf Silvio. Der unterbietet seine 2014er Zeit um 40 Minuten und finisht den Lauf auch mit deutlich unter 5 Stunden. Sieht auch nicht so richtig glücklich aus. Das mit dem Glück, das wird wohl heute nix mehr werden. Der Weg zur Dusche ist lang, die Dusche nicht so richtig warm, dafür dunkel. Ultralaufen, mmh, ab und zu mal so was Kleines ist ja ganz nett. Ob ich mich jemals auf weitere Strecken wagen werden – keine Ahnung. Nach Rodgau werde ich wohl nochmal fahren.
In ein, bis zwei Jahren, wer weiß….

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