Der erste Rennsteig-Marathon

21. Mai 2014

2013 habe ich mit dem Halbmarathon auf dem Rennsteig an einem meiner ersten offiziellen Laufevents teilgenommen. Begeistert von der Atmosphäre in und um Schmiedefeld sowie der Strecke habe ich mich, noch nicht richtig zu Hause, gleich am Tag nach dem Rennsteiglauf für den 2014er Marathon angemeldet.

Mittlerweile habe ich bereits 4 Marathon, darunter ein „kleiner“ Ultra in den Beinen. Die Strecke kannte ich – vom Herbstlauf und dem „Geh aufs Ganze“-Lauf – schon. Also wollte sich Aufregung in den Tagen zuvor nicht so richtig einstellen.

Einzig die immer präsenten Mankos in der Vorbereitung sorgten für ein wenig Schlaflosigkeit. Schliesslich hatte ich wieder mal viel zu wenig lange Läufe. Einen langen Lauf habe ich im Norwegenurlaub hinbekommen – der Leipzig-Marathon 5 Wochen vorher ist auch ein langer Lauf gewesen – aber ob 2 Marathons in 5 Wochen nicht eventuell ein bisschen viel für den Anfang (ich betrachte mich immer noch als Newbie;-))sind? Höhenmeter konnte ich in den vergangenen Wochen ordentlich bolzen – hinter unserer Ferienhütte in Norwegen ging es gleich über 200m auf 3 Kilometer nach oben. Auch der Christeser Grund hat sich in den Tagen vor dem Lauf als ordentliches Trainingsrevier erwiesen.

Erst am Tag vor dem Rennsteig beschlich mich dann ein wenig Aufregung. Facebook und diverse Blogs leisteten ihren Beitrag. Sven traf freitagabends ein. Nach einer kleinen Runde bleifreiem Radler und bleihaltigem Bier legten wir uns dann auch schon hin.

Wie verabredet ging es Samstagmorgen nach Frühstück und den üblichen Vorbereitungen (Ich hab nix anzuziehn! Kannst Du mir mal Deine Vaseline leihen?) um 5 Uhr nach Oberhof. Dort haben wir mein Auto abgestellt und bestiegen dort unseren Bus nach Neuhaus. Die Anreise lief dank Sitzplatzgarantie relativ entspannt. Einzig Svens vergessener Autoschlüssel (Schlüssel in A, Auto in B, A und B 30km entfernt) und eine Panne des vorausfahrenden Busses sorgten für Kurzweil auf unserer eintönigen Anreise nach Neuhaus. Trotz allem waren wir so zeitig in Neuhaus, das für die Startnummernausgabe und die letzten Vorbereitungen noch genügend Zeit war. Meine Startnummer kennzeichnete mich als jemanden, der es ernst meint, der „Aufs Ganze geht“. Klar, letztes Jahr der Halbe, und nun der Ganze, woher sollen die vom Rennsteiglauf auch wissen, dass bei mir daheim in meiner Laufecke bereits 4 Marathonstartnummern rumhängen. Vielleicht krieg ich als Marathonneuopfer hier die besten Verpflegungsbrocken mit der Startnummer?

Gigantische Atmosphäre im Startbereich. Ich habe es ja nun schon auf vielen Videos gesehen, man muss es aber selbst erlebt haben. Es ist ein tolles Gefühl, da mittendrin zu stehen. Nach Absingen der Pflichtlieder – Rennsteiglied und Schneewalzer (gut, dass ich am Abend vorher nochmal im Gesangbuch geblättert habe), schickte uns der Moderator nun endlich auf den Weg. Passiert ist erst mal nichts, wie überall dauert es ein wenig, bis die tausenden Läufer endlich durchs Starttor und auf die Strecke kommen. Mein Rennsteigexpress ging dann mit 3 Minuten Verspätung auf die Piste. Die ersten Kilometer geht es durch Neuhaus und aus Neuhaus heraus. Die Strecke ist anders als beim Herbstlauf. Erst mal nur Asphalt – das ist aber gut, so kann sich das Feld schön sortieren, im Wald ist es dann manchmal recht eng geworden. Beim Herbstlauf ging es ziemlich zügig von der Hauptstraße runter in den Wald – bei den Kosten, die die Ämter für das Sperren der Straße einkassieren, nachvollziehbar. Außerdem waren es im Herbst ja auch nur ein paar Hundert und nicht gleich Tausende….

Ok, das Feld hatte sich sortiert, ca. bei km 6 die erste Getränkestelle. Ein Moderationsgenie an der ersten Tränke. Zu hören war der schon hunderte Meter vorher. Stimmgewaltig und die nächsten 2 Wochen bekommt der garantiert keinen Ton mehr raus. Ab hier waren dann Waldwege angesagt. Es wurde enger, wegen der noch recht großen Anzahl an Läufern war es schwer, ein eigenes, gleichmäßiges Tempo zu finden. Zuviel wurde noch überholt, häufig stoppte der Pulk an großen Matschlöchern. Zu schnell war ich dieses Mal nicht. Bei den Läufen vorher hatten mir meine Zeiten von deutlich unter 6 Minuten auf den ersten 20 Kilometern ja immer Sorgen gemacht. Das Gelände, die teilweise Enge auf der Strecke und die Matschlöcher sorgten dafür, dass ich mir keine Gedanken darüber machen musste, ob ich hier vielleicht zu schnell unterwegs bin.

Die erste Straßenquerung. Alle warten geduldig, bis die Läufer vorbei sind. So, wie das Feld hier noch zusammen ist, dauert das. Wir sind in 98749 Steinheid/Limbach/Scheibe-Alsbach. Keine Ahnung wie das wirklich heißt. Google Maps hat drei unterschiedliche Ortsnamen für den Flecken. Die Aussicht und die Bilder sind schön – thüringisch, Rennsteig halt. Die Gelegenheit, für einige Lauftouris, ausführliche Fotostops einzulegen. Auf der anderen Straßenseite schlängelt sich der Weg Richtung Dreistromstein. Es geht bergan, einige gehen, manche laufen. Ich kann mich nicht entscheiden, ich laufe erstmal weiter, habe ja schließlich Höhenmeter gemacht in den Wochen vorher. Trotzdem kommt man hier nicht so richtig zum Laufen, durch die Enge am Weg muss man immer wieder anhalten und auch gehen. So kann sich das Feld wenigstens ordentlich auseinanderziehen.

Bei Kilometer 11 ist die erste Verpflegungsstelle. Neben den Getränken gibt’s hier dann auch Äpfel, Bananen – und Schleim. Nein, ich werde ihn auch heute nicht probieren. Viele schwören drauf. Ich bekomme beim Schreiben noch Gänsehaut.

Es geht weiter Richtung Masserberg. Wahrscheinlich ist der Rennsteig sehr matschig, wir laufen nebenher die Straße entlang. Der Rennsteig selber ist gesperrt. Macht nix, sind nur ein paar hundert Meter. Die Stimmung und die Zuschauer sind überall klasse. Mitten im Wald an einer Pension eines der wahrscheinlich am meisten fotografierten Motive: die Waldkapelle. Die sitzen da und spielen bis der letzte Läufer durch ist. Es geht Richtung Masserberg und mir geht’s prächtig. Ok, ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass der Rennsteig länger dauert als der Frankfurt-Marathon. Nicht nur wegen dem Kilometer plus, auch wegen dem Gelände. Aber ich habe jetzt, bei km 15, 16 noch keinerlei Ermüdung zu verzeichnen.

Richtung Masserberg geht es bergauf. Weil es auch hier immer mal recht eng zugeht, ist man auch hier gezwungen, oft zu gehen. Obwohl ich eigentlich laufen will/könnte. An der Turmbaude Masserberg gibt es einen längeren Stop. Hier ist wieder Verpflegung – neben dem Rennsteigstandardprogramm – Tee, Wasser, Cola, Iso, Schleim, Banane, Apfel – gibt es hier belegte Brote. So ein Kanten Brot mit einer Scheibe Wurst nach knapp 20 Kilometer – gigantisch! Klar, den Ranzen kann man sich damit nicht vollhauen, wenn man noch mehr als 20 Kilometer vor sich hat.

An Masserberg vorbei geht es über eine Wiese immer schön bergauf. Irgendwo im Wald liegt die Zeitmatte für den Halbmarathon. 2:18. Irgendwie hab ich mir die ganze Sache zügiger vorgestellt.

Richtung Versorgungsstelle Schwalbenhauptwiese staut sich die Läuferschar. Bevor jeder einzelne auf den Hohlweg kann, ist anstehen angesagt. Das dauert dann auch so ziemlich 5 Minuten, ehe es weitergeht. Ganz tief in mir drin bin ich eigentlich froh, dass ich hier warten MUSS. Kann ja schließlich nichts dafür, dass es hier nicht vorwärts geht.

Nach der Schwalbenhauptwiese geht es über 4 Kilometer neben der Straße entlang Richtung Kahlert. Wer will, kann auch die Straße nutzen. Ich will nach ein paar hundert Metern, der Rennsteig ist hier eng, sodass bei mir irgendwie ein lockeres Laufen nicht aufkommen will, wenn man zu zehnt einer nach dem anderen im Gänsemarsch über die Wurzeln stolpert. Kaum auf der Straße habe ich zum ersten Mal seit 25 km etwas: keine Lust mehr. Sorry, das war nur ein kurzer Anflug von Unlust. Schnell verscheuchen, die Gedanken und weiter! Aber die ersten Anstiege tauchen hier auf, bei denen ich dann schon mal freiwillig ins Gehen verfalle.

Bei km 29 taucht die Verpflegungsstelle Neustadt auf. Hier gibt’s Fettbrote! Sehr, sehr lecker. Aber aufpassen, man hat noch knapp 15 Kilometer!

Nach km 34 taucht der Dreiherrenstein, die vorletzte Getränkestelle auf. Ein Sani teilt mir mit, dass ich nicht so sehnsüchtig auf die Massageliegen schauen soll – rechts rum, dahinten ist gleich das Ziel.

Wie immer versorge ich meine Familie zuhause ab Kilometer 20 mit Infos und Fotos. Da darf natürlich der Leierkastenmann nicht fehlen, der da mitten im Wald die Läufer mit Motivation versorgt. Laufen ist ja ganz leicht, aber den ganzen Tag an der Orgel drehen….

Bei km 35 liegt eine Zeitmatte. Längst weiß ich, dass es sich heute wohl um meinen bisher längsten Marathon handeln wird.

Nur noch lumpige 5 Kilometer bis ins Ziel – so stehts an der allerletzten Getränkestelle bei km 38 auf einem „Gedenkstein“. Hier gibt’s für den, der will einen Schluck Bier. Ob mir das geholfen hat, keine Ahnung. Wir nähern uns so langsam der 40-km-Marke. Und bei km 40 habe ich dann das, was bei meinen Läufen vorher immer bei km 33 – 36 vorkam: Keine Lust mehr, die Frage, ob Taubenzüchten nicht auch ein schönes Hobby für mich wäre. Und der Schwur, für die nächsten 20 Jahre die Finger vom Marathon zu lassen. Halbe sind auch schön. Und zwei halbe doppelt schön.

Im Übrigen wurde hier wieder mal bewiesen, dass einzelne Kilometer jenseits der 35-Km-Marke immer mindestens doppelt so lang sind, als die vorigen. Der Kilometer 40 und 41 wollte nicht enden, ich war mindestens so lange wie am Morgen auf den ersten 10 Kilometern unterwegs, als endlich die 42 zwischen den Bäumen stand.

Bei 04:57 piepste die Marathon-Matte. Ui, das wird ja nicht mal mehr eine sub 5. Egal, jetzt kam der im nachhinein schönste Teil. Die Reitallee. 90 Höhenmeter auf dem allerletzten Kilometer. Und hunderte, die einen anfeuern. Ich habe mein Handy rausgetan, Kamera angeknipst und habe den letzten Kilometer gefilmt. Hinterher habe ich mich gewundert, dass ich die Reitallee noch so hochrennen konnte. Gigantische Stimmung. Oben auf dem Sportplatz die letzte Runde.

Dann das übliche: Ziel, Tränchen verdrückt, saustolz!

Mein Fazit: Die 42 km verarbeite ich immer besser. Beim ersten Marathon war 5 Tage Humpeln und Laufpause angesagt. Jetzt nach dem 5. Marathon sieht man mir am Folgetag nicht mehr an, dass ich am Tag vorher 42km gelaufen bin. Der Rennsteigmarathon ist was ganz anderes als in der Stadt. Klaro sagen da die Erfahrenen. Die Erfahrung musste ich halt erst mal machen. Für Bestzeiten sind die vielen Höhenmeter mit Sicherheit nichts. Letztes Jahr hab ich den Halben, dieses Jahr den Ganzen gefinished. Bis vor dem Marathon habe ich drüber nachgedacht, nächstes Jahr vielleicht mal den ganz langen zu versuchen. Davon hab ich mich erst mal verabschiedet. Dafür laufe ich noch nicht lange genug. Ich habe natürlich schon wieder gemeldet – aber für den Marathon. Der lange Kanten wird wohl noch ein wenig auf mich warten müssen.

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