der erste marathon

12-Stunden-Lauf Brühl

26. Juni 2012

This could be the longest day

der erste marathon

Mein Wecker war auf 4.00 Uhr eingestellt. Allerdings hätte ich ihn gar nicht benötigt. Eine halbe Stunde vorher trieb es mich aus meinem Gästebett bei Daniel und Franzi in Hilden. Ein Kaffee und 2 große Stücken Herrenkuchen sollten für den Start in diesen Tag reichen.

Ich war noch einer der ersten an diesem Morgen. Nachdem ich mir meine Startunterlagen geholt hatte, suchte ich mir einen geeigneten Platz für meine Taschen und machte mich mit Manfred bekannt, der heute auch zum ersten Mal über diese verrückte Dauer von 12 Stunden laufen wollte. Im Gegensatz zu mir bezwang er aber schon 2 mal die Marathondistanz.
Wenige Minuten vor dem Start traf ich dann auch noch den späteren Zweitplatzierten Markus Schubath vom Twitterlauftreff.
Pünktlich um 7 Uhr fiel der Startschuss für den längsten Lauf meines bisherigen Lebens. 12 Stunden lagen für ca 50 Einzelläufer und -läuferinnen + vielen Staffeln vor uns. Meine 3 Etappenziele waren schon gesteckt. 1. Mein erster Marathon 2. die 50km und 3. die 12 Stunden komplett durchhalten.

Eine Strategie hatte ich mir mit Hilfe Mirkos auch zurecht gelegt. Auf sein Anraten hin stieg ich von meinem Vorhaben, erstmal so weit wie möglich zu laufen, um auf Strom sparen von Anfang an. So verbrachte ich die ersten Stunden damit 2 Runden zu laufen und 1 Runde zu gehen. Nach 3 Stunden hatte ich den Halbmarathon absolviert. Für mich war das sehr gut und ich erinnerte mich mit einem Lächeln daran, wie ich vor noch nicht allzu langer Zeit Gott und der Welt dafür gedankt habe, dass ich an dieser Stelle aufhören konnte, weil nichts mehr ging. Heute sollten hier noch 9 Stunden folgen…

Bis Mittag hielten nicht nur wir Läufer durch sondern auch das Wetter. Bis ca. 13.00 Uhr blieb es trocken. Dann öffnete der Himmel seine Schleusen und irgendwo in der Nähe wurde ein überdimensionaler Fön angeschaltet. Noch 2 mal erbarmte sich der Regengott oder musste grad zu folgenden 2 Zeitpunkten seine Gießkannen neu auffüllen: 

Mein erster Marathon – In dieser Runde wurde es plötzlich trocken und auch windstiller. Sogar die Sonne schaute kurz raus. Gerade mir als einer der Ungläubigsten überhaupt wurde der Genuss zu teil, auf seinem ersten 42. Kilometer trockenen Hauptes und mit etwas Sonne zu laufen? Wunder gibt es immer wieder…

Ich blieb extra stehen, um ein für die Ewigkeit geschaffenes Foto meiner Garmin zu schießen. 42,195 Kilometer – ich bin ein Marathonman! Ein wenig kribbelte es sogar auf der folgenden Runde in der Nase. Förter – du wirst doch wohl jetzt nicht…! Zum Glück regnete es wieder, denn falls die ein oder andere Freudenträne sich doch den Weg gebannt hat, war die nicht zu erkennen.

Nun ging’s auf zu neuen Ufern. Die 50 wartete auf mich und noch waren fast 5 Stunden Zeit.Nach 8 Stunden und 56 Minuten nahm ich auch diese Marke. Bis dahin hatte ich meine Laufweise geändert. Ich lief und ging im Wechsel 1km.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nach dem Erreichen der 50 dem Massagezelt einen Besuch abzustatten. Allerdings brach ein neues Gefühl über mich herein – Ehrgeiz… Ich konnte nun zwar kaum noch laufen, da sich mittlerweile an jeder Ferse eine schöne Blase gebildet hatte und auch meine Waden schon recht anständig zwickten, aber ich sah die 60 vor meinen Augen aufleuchten. 

Kilometer 51 und 52 – also eine Runde – ging ich, um zu sehen, wie lange ich für eine Runde brauche. Zu dem Zeitpunkt ca. 22 Min/ Runde. Kurz hoch gerechnet, noch 2,5h – das muss zu schaffen sein! Also blieb ich weiter auf der Piste. Am schlimmsten war zu diesem Zeitpunkt schon der kleine 3 Meter lange Abstieg aus dem Stadion hinaus. Den muss ich noch viermal überwinden und den Rest der Runde gehen.

Runde um Runde kämpfte ich mich der 60 entgegen. Aufmunternde Sprüche von Markus, Manfred und vielen Staffelläufern halfen dabei. Ein Staffelläufer bremste kurz ab, blickte aus seiner Regenkaputze und gab mir ein freundliches: «Dat wolld isch dir noch saachen: Als Arzt find isch dat scheiße, wat du hier machst. Als Sportler hab isch die allergrößte Hochachtung vor dir!» mit auf den restlichen Weg.
Dann kam noch ein «Ihr Einzelläufer seid die wahren Helden heute!» und noch ein gratulierendes Schulterklopfen eines Staffelläufers.. Hochgefühl breitete sich aus und ich war wieder kurz froh, dass es von oben herab schüttete.

Auf meinem 60. km kamen mir dann auch Daniel und Franziska – meine beiden Betreuer für das Wochenende entgegen. Diesen meinen 60. Kilometer nahm ich auch noch mal all meine Kraft zusammen, lies die Schmerzen verschwinden und lief ihn. Jedenfalls sollte es optisch so wirken, als ob ich ihn lief.
Im Stadion angekommen waren noch 24 Minuten Zeit – also weiter auf die Piste, um irgendwo da draußen stehen bleiben zu müssen, wenn es nach 12 Stunden knallt. Franzi und Daniel begleideten mich auf die letzten Meter. Allerdings überkam es mich nach 61km nochmal und ich sprach nur kurz «Ich mach die 62 noch voll», lies wieder alle Schmerzen fallen und lief. 9 Minuten blieben mir noch für 1000m – das sollte doch gelacht sein!
Ich schaffte es!

Kurz nach meinem Zieleinlauf ging auch schon der Countdown los. 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 – Schuss aus der Pistole – «We are the champions» dröhnte es aus den Lautsprechern und ich konnte in diesem Moment noch nicht fassen, dass ich, dessen weiteste Strecke bisher 32km war, heute noch mal 30 draufgelegt hatte.

Ich bin Marathon gelaufen, ach quatsch – ULTRA!!! Der kleine Dicke am Ende des Feldes ist 12 Stunden durchgelaufen mit nur 2 kurzen (unter 10 Min) Sitzpausen.

Und das Schönste an diesem ganzen Lauf: Ich hab nicht eine einzige Sekunde daran verschwendet, an’s Aufhören zu denken. Weder die Blasen noch die muskulären Schmerzen haben mich dazu gebracht.

Mit meinen 62 Kilometern habe ich von 38 männlichen Startern den 21. Platz belegt, also gut im Mittelfeld gelandet.

Heute, 2 Tage später, scheint das alles erst richtig bei mir anzukommen. Gestern haben noch die Schmerzen überwogen, heute ist nur noch der Stolz da, der hoffentlich noch lange bleibt. Abschließend bleibt noch zu sagen: This was the longest day! Aber nicht der letzte seiner Art für mich – mit Sicherheit!

Achja, nicht zu letzt danke ich Franzi und Daniel für die anschließende Hilfe! Wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich im Auto schlafen müssen, weil ich nicht mehr alleine raus kam.

Und ganz als Letztes: Frankfurt – ich komme!!